So entsteht ein Sensor, der Leben rettet

Die kleine Fiona liegt im Spital. Drei Monate alt ist sie erst – und hat sich mit dem RS-Virus infiziert. Seit einigen Tagen muss sie künstlich beatmet werden. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich regelmässig, gesteuert von einem Beatmungsgerät, welches die Atmung überwacht und die richtige Dosierung der Sauerstoffzufuhr automatisch reguliert. Herzstück des Beatmungsgeräts ist ein Gasdurchflusssensor auf einem Chip, nur wenige Millimeter gross. Ein Chip, hergestellt von Sensirion. Doch wie entsteht ein solcher Sensor überhaupt? Wir haben uns auf einen Rundgang in der Produktionsstätte des Unternehmens in Stäfa am Zürichsee begeben.

 

 

Alles beginnt mit einer dünnen Scheibe aus Silizium, wie sie in der Industrie rund um den Globus milliardenfach für elektronische Bauelemente eingesetzt wird. Sie wird Wafer genannt und hat in unserem Fall einen Durchmesser von 200 mm und eine Dicke von weniger als 1 mm. Aus solchen Wafern werden bei Sensirion in Stäfa fertige Sensoren. Doch der Reihe nach.

 

 

Die MEMS FAB
Wir begeben uns im Produktionsgebäude in den ersten Stock und betreten den MEMS-Reinraum. Leicht zu erkennen am überall vorherrschenden gelben Licht. Hier wird die elektronische Schaltung mit einem Sensorelement ergänzt. Dazu benötigt man verschiedene Produktionsschritte, um Schichten abzuscheiden und zu strukturieren. 
In den Plasmaprozessen werden Schichten abgeschieden. Anschliessend wird in einem Lithographieprozess ein lichtempfindlicher Lack durch einen Coater auf den Wafer aufgetragen. Dieser Photolack wird im Maskaligner mit ultraviolettem Licht belichtet. Eine Maske gibt die künftigen Strukturen vor, und es werden nur ausgewählte Bereiche auf dem Wafer belichtet. Eine Maske gibt die künftigen Strukturen vor und es werden nur ausgewählte Bereiche auf dem Wafer belichtet. Deshalb ist der Raum im Gelblicht, damit die Wafer nicht fälschlicherweise weiter belichtet werden. 
Jetzt wird der Lack im Developer entwickelt: Die belichteten Bereiche werden entfernt, die unbelichtete Fläche bleibt stehen. Erneut geht der Wafer in einen Plasmaprozess: Die strukturierten Wafer werden geätzt, und anschliessend wird der Lack auf dem Wafer wieder entfernt. Das legt die ursprüngliche Oberfläche wieder frei.
Eine Multimessanlage wiegt jeden Wafer, ein Roboter richtet ihn aus und lädt ihn in die Anlage, wo Strukturgrössen und Schichtdicken gemessen werden. Der ganze Prozess verläuft vollautomatisch. Jetzt kann die nächste Schicht aufgetragen werden, und der Prozess startet wieder von vorne. Die Mitarbeiter:innen überwachen die Maschinen, transportieren die Wafer in Boxen zur nächsten Anlage, laden die Wafer in die Anlage und starten das entsprechende Rezept auf der Anlage. Dabei werden sie von einem elektronischen System unterstützt, dort ist jederzeit der aktuelle Bearbeitungszustand der Wafer ersichtlich. Zusätzlich dokumentieren die Mitarbeiter:innen die durchgeführten Schritte auf einer Begleitkarte.

 

Das Wafer Backend
Zusammen mit den Wafern verlassen wir die MEMS FAB. Produktionsmitarbeiter:innen transferieren die Wafer über eine Warenschleuse in den nächsten Produktionsabschnitt: in das Wafer Backend. Beim Wafer Probing werden hier die Chips noch in der Form von Wafern zum ersten Mal getestet und kalibriert. Jeder Wafer wird in den Prober geladen und von einer Nadelkarte kontaktiert, die bis zu 256 Chips parallel testen kann – ein äusserst effizienter Testprozess. Diesen steuert ein Sensirion-Messcomputer mit einem eigens von der firmeninternen Softwaregruppe und dem Process Engineering entwickelten Prober Script.

 

Jetzt geht der Wafer ins Wafer Dicing. Zuerst wird er mit Hilfe einer Klebefolie auf einen Träger montiert. Dadurch wird verhindert, dass sich die Chips beim Zersägen lösen. Das Sägen erfolgt mit einer Präzision im Mikrometerbereich und vereinzelt die Chips.

 

 

«Wir bilden eine wichtige Schnittstelle in der Produktion, besprechen im Team Vorschläge und Ideen und sichern die Qualität mit den Produktionsmitarbeiter:innen und -ingenieur:innen. Wir überwachen die Kennzahlen in der Produktion und gewährleisten die Kommunikation im Team.»

Patroklos Alexopoulos, Process Integration Manager bei Sensirion

Im anschliessenden Die-Bonding werden die Chips vom gesägten Wafer gepickt und auf das Leadframe geklebt. Auch hier liegt die Platziergenauigkeit im Mikrometerbereich. Unterschiedliche Benetzungseigenschaften der Oberflächen und die stabile Platzierung der Chips stellen die grössten Herausforderungen des Prozesses dar. Im Anschluss an das Die-Bonding wird der Kleber in einem Ofen ausgehärtet.

 

Jetzt ist das Wirebonding an der Reihe: Die Chips werden für die Funktionalität angeschlossen. Dafür werden sehr dünne Drähte von gerade mal 20 bis 30 µm Durchmesser aus Gold oder Aluminium verwendet. Diese werden mit Druck, Ultraschall und Temperatur aufgebracht. Sie stellen die Verbindung zwischen Bondpad auf dem Chip und Lead auf dem Leadframe her. Über diese Leads wird später der fertige Sensor elektrisch kontaktiert und angesteuert.

 

Das Leadframe mit den aufgeklebten Chips und montierten Golddrähten wird zum Molding weitergegeben. Hier werden die Sensoren mit schwarzem, glasreichem Epoxidharz überspritzt. Das ausgehärtete Epoxid schützt den Sensor im Einsatz vor Licht, Feuchtigkeit und mechanischen Einflüssen, welche die feinen Drähte oder Mikrostrukturen beschädigen könnten.

 

Component and Module Finishing 
Wir verlassen das Molding und begleiten die Leadframes in den letzten Fertigungsabschnitt für die Herstellung von Komponenten. Noch immer sind die Chips (Sensoren) auf einem Leadframe angeordnet; sie müssen für die weitere Verarbeitung vereinzelt werden. Dafür werden die Leadframes wieder mit Hilfe einer Klebefolie auf einen Rahmen montiert, damit sich die Sensoren während der Vereinzelung nicht lösen.

 

«Ich erstelle Schichtpläne, führe das Team, organisiere die benötigten Materialien und stelle die Qualität unserer Produkte und den sicheren und sauberen Betrieb unserer Maschinen sicher.»

Ivan Svilar, Supervisor bei Sensirion

Der nächste Schritt ist das Leadframe Dicing: Trennscheiben, bestückt mit Schleifkörnern aus synthetischen Diamanten, zerlegen das metallische Leadframe in die einzelnen Komponenten – die Sensoren. Die Balance zwischen Messertyp, Messerdrehung, Messerhöhe und Vorschubgeschwindigkeit gewährleistet die einwandfreie Schnittqualität.

 

Wir begleiten die gesägten Leadframes auf ihrem Weg in die nächste Abteilung und werfen einen Blick in den vollautomatisierten Inspektions- und Testbereich bei Sensirion. Dort werden verschiedenste Sensoren automatisch zusammengesetzt, optisch inspiziert, kalibriert und verpackt.

 

Das ist alles sehr spannend, komplex und erfordert sehr viel spezielles Know-how in der Produktion. Dabei haben wir fast unseren Gasdurchflusssensor aus den Augen verloren, den wir für das Beatmungsgerät benötigen. Dieser nämlich wird im obersten Geschoss montiert – im Bereich Sensor Manufacture & Industrialization. Also zurück mit dem Lift nach oben. Hier treffen wir auf die Mitarbeiter:innen der Modulmontage. Je nach Produkt und Volumen werden hier komplett von Hand oder teilautomatisiert hochspezifische Komponenten und Standardmassenware hergestellt. Gerade bei Durchflusssensoren der Halbleiterindustrie sind die Anforderungen sehr hoch, weshalb ein guter Operator absolut entscheidend für die Produktqualität ist.

 

«Unser Team verbessert Prozesse und führt Reparaturen bei mechanischen, pneumatischen und elektronischen Teilen der Produktionsmaschinen durch, zudem plane ich die Arbeiten unseres Teams. Mir gefällt an Sensirion besonders die sehr soziale und mitarbeiterfreundliche Einstellung.»
Philipp Eggstein, Equipment Specialist bei Sensirion

Voilà. Unser Sensor ist fertig. Damit ist alles bereit für die Logistik. In der Intralogistik in Stäfa verpacken Logistiker:innen die Sensoren und stellen sie für die Zentrallogistik bereit – diese ist das Zentrum für all unsere logistischen Aktivitäten mit Sitz in Nänikon am Greifensee, rund 20 km von Stäfa entfernt. Dort betreibt Sensirion ein 3'500 m2 grosses Lager mit Platz für 1'200 Paletten und rund 8'000 Regallagerplätzen. Zweimal pro Tag findet ein Transport der Sensoren zwischen Stäfa und Nänikon statt.

 

«In unserem Lager in Nänikon erfassen wir die fertigen Sensoren im System und lagern sie in ESD-Regale ein. Dort entnehmen wir sie später wieder, rüsten, verpacken und versenden sie an unsere internationalen Kunden.»

Ayla Pereira, Logistikerin bei Sensirion

Soeben hat Fiona in ihrem Bettchen die Augen geöffnet. Nach einer Untersuchung aller relevanten Parameter und Blutwerte und einer Beurteilung durch die Oberärztin wird klar: Das Baby hat den kritischsten Teil ihrer Krankheit überstanden. In spätestens zwei Wochen dürfen Mama und Papa sie endlich wieder zu Hause in die Arme schliessen. Das Beatmungsgerät hat tadellose Arbeit geleistet und seinen lebenswichtigen Teil zur Genesung der kleinen Fiona beigetragen.